Ähnlich wie Günter Wallraffs berühmte Sozialreportage "Ganz
unten" von 1985 erzielte Hans Ostwalds autobiographischer Roman
"Vagabunden" im Jahr 1900 einen großen Verkaufserfolg. Während
Wallraff als Journalist in die Rolle des Türken Ali schlüpfte,
um die Arbeitsbedingungen "ganz unten" zu erkunden, beruht Ostwalds
Buch auf seinem Tagebuch, das er während seiner Zeit als arbeitsloser,
vagabundierender Handwerksbursche schrieb. Wallraff und Ostwald
lieferten Authentisches über diese Menschen am Rande, was auf
großes Interesse stieß. Wallraffs Beobachtungen sind heute in
Deutschland Schullektüre. Aber Ostwalds "Vagabunden" geriet vollkommen
in Vergessenheit, obwohl heute wieder vermehrt arme Menschen auf
den Straßen und unter Brücken für alle sichtbar leben und den
Bürgern wieder die hergebrachten Ausdrücke für die bettelnden
Armen in den Sinn kommen.
"Dies
Buch führt uns zu Menschen, die neben uns her leben, mit denen
wir öfter in oberflächliche Berührung kommen, und die doch durch
ihre anders gearteten Sitten und Begriffe wie durch ihre Sprache
Jahrhunderte von uns getrennt zu sein scheinen. (...) Ostwald
hat sich nicht damit begnügt, in Herbergen erzählenden und aufschneidenden
Stromern zuzuhören und diese Erzählungen dann - humoristisch gefärbt
- wiederzugeben, sondern (...) zog mit ihnen auf den Landstraßen
durchs Land, teilte Leid und Freud. "
(Verlagswerbung
für die Erstausgabe im Jahr 1900)
"Vagabunden:
das sind die wandernden Handwerksburschen, die Kunden, die Tippelbrüder,
die Entgleisten. (...) Er verklärt diese Armen und Ärmsten nicht,
wie es etwa Leo Tolstoi tut, aber durch das Buch zittert trotz
aller Derbheit eine leise Klage und Anklage."
(Verlagswerbung
1928)